Das Erlöschen des Widerrufsrechts bei Parwise

Zuletzt aktualisiert am 30. Oktober 2020 von Rechtsanwalt Nico Werdermann

Widerrufsrecht

Online bestellen ist anders, als im Laden zu kaufen. Man hat das Produkt nicht vor Augen, man kann es nicht anfassen und nicht ausprobieren. Damit Verbraucher nicht die Katze im Sack kaufen, haben sie die Möglichkeit, ihre Vertragserklärung zu widerrufen. Das gilt nicht nur online und beim Kauf, sondern bei allen Verträgen, die ein Verbraucher außerhalb von Geschäftsräumen oder im Fernabsatz schließt. Daher besteht auch bei Verträgen über die Nutzung von Flirtportalen ein Widerrufsrecht.

Ausnahmen vom Widerrufsrecht

Keine Regel ohne Ausnahme – es gibt Verträge, bei denen von vornherein kein Widerrufsrecht besteht. Für den Verkäufer wäre es nicht tragbar, wenn er maßgeschneiderte Waren, Waren mit kurzer Haltbarkeit oder Waren mit erheblichen Preisschwankungen nach Widerruf zurücknehmen müsste. Bei anderen Warengruppen (z.B. Hygieneprodukte oder Tonträger) erlischt das Widerrufsrecht mit Entsiegelung. Auch bei Dienstleistungen kann es unangemessen sein, den Unternehmer mit einem Widerrufsrecht zu belasten: Hotels müssen planen und der Handwerker, der wegen einer dringenden Reparatur auf Bestellung zum Kunden kommt, soll nicht um seinen Lohn bangen, weil der Kunde widerrufen kann.

Anmeldung bei Parwise

Der Anmeldeprozess bei Parwise ist ähnlich gestaltet, wie ich ihn hier für das Portal FlirtyGirls der DIE GmbH beschrieben habe. Es gilt im Wesentlichen die rechtliche Einschätzung, die hier zu finden ist. Meldet man sich bei Parwise an, gibt es ein weiteres Feld zum Ankreuzen:

Die Widerrufsbelehrung habe ich zur Kenntnis genommen und wünsche, dass der Anbieter sofort nach dem Kauf vor Ablauf der Widerrufsfrist mit der Bereitstellung der digitalen Inhalte beginnt. Mir ist bekannt, dass hierdurch das Widerrufsrecht entfällt, sobald der Anbieter mit der Bereitstellung der digitalen Inhalte begonnen hat.

Wenn man das Kreuz nicht setzt, kann der Kauf nicht abgeschlossen werden. Die Formulierung zielt auf § 356 Abs. 5 BGB ab. Danach erlischt das Widerrufsrecht bei einem Vertrag über die Lieferung von nicht auf einem körperlichen Datenträger befindlichen digitalen Inhalten auch dann, wenn der Unternehmer mit der Ausführung des Vertrags begonnen hat, nachdem der Verbraucher ausdrücklich zugestimmt hat, dass der Unternehmer mit der Ausführung des Vertrags vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt, und seine Kenntnis davon bestätigt hat, dass er durch seine Zustimmung mit Beginn der Ausführung des Vertrags sein Widerrufsrecht verliert. Gemeint sind Download und Streaming.

Flirtportale und Downloads

Nach Meinung des Landgerichts Berlin gilt das auch für Flirtportale. Mit Urteil vom 30.06.2018 (Aktenzeichen 52 O 340/15) entschied es:

Um die Vermittlung solcher digitalen Inhalte handelt es sich auch hier bei den von der Beklagten im Rahmen der Mitgliedschaft zur Verfügung gestellten Daten.

Vertragsgegenstand ist gemäß Ziffer 1 der AGB „die Bereitstellung von kostenlosen und kostenpflichtigen digitalen Inhalten vor allem in Form von nutzergenerierten Inhalten wie z.B. Nutzerprofile, Fotos und Nachrichten anderer Nutzer, die von den Kunden betrachtet und genutzt werden können. …”

Mit dem Abschluss des kostenpflichtigen Vertrages werden dem Nutzer auch Inhalte zur Verfügung gestellt, denn bei den Fotos, Nachrichten, Profile anderer Nutzer handelt es sich um Daten, die in digitaler Form hergestellt und bereitgestellt werden.

Auch bei solchen Datenlieferungen, wie sie die Beklagte im Rahmen der zahlungspflichtigen Mitgliedschaft zur Verfügung stellt, besteht mithin das 14tägige Widerrufsrecht gemäß § 312 g Abs. 1 BGB, welches unter den Voraussetzungen des § 356 Abs. 5 BGB erlöschen kann.

In dem Verfahren ging es um die Portale dateformore.de/dateformore.at und daily-date.de/daily-date.at der Ideo Labs GmbH (heute DIE GmbH). Das Gericht bemängelte zwar die konkrete Art, wie Ideo Labs den Verbraucher informierte und die Einwilligung einholte. Grundsätzlich soll nach Ansicht des Gerichts das Widerrufsrecht bei korrekter Belehrung und Einwilligung erlöschen.

Die Frontline Digital GmbH zog ihre Lehren aus dem Urteil und setzte die Vorgaben des LG Berlin entsprechend um, indem sie vom Nutzer verlangt, dass er das Kreuzchen setzt, wenn er sich für das Schnupperangebot bei Parwise entscheidet.

Und der Nutzer?

Meiner Meinung nach kann man das so nicht stehen lassen. Die Regelung des § 356 Abs. 5 BGB ist eine Ausnahmevorschrift und kann schon aus diesem Grund nur einen engen Anwendungsbereich haben. Vor allem geht die Entscheidung des Landgerichts Berlind an der Wirklichkeit vorbei, indem der Vertragsgegenstand anhand der AGB des Anbieters auf das Angebot digitaler Inhalte reduziert wird. Es ist zwar auch das Interesse des Nutzers, auf die Inhalte zugreifen zu können, aber viel wichtiger ist die Möglichkeit, in Kontakt mit anderen Nutzern treten zu können. Die Frontline Digital GmbH weiß das auch ganz genau und erklärt oben auf der Seite, was Vertragsinhalt ist:

VERTRAGSLEISTUNGEN

Die Premiummitgliedschaft beinhaltet den unbegrenzten Empfang und Versand von Nachrichten, das Ansehen aller Fotos und unbegrenztes Kontaktrecht.

Das zeigt, dass der Kunde zwar Fotos bekommt, aber vor allem kann im Rahmen der Premiummitgliedschaft mit anderen Mitgliedern in Kontakt treten. Die Möglichkeit auf digitale Inhalte zugreifen zu können, ist – anders als beim Download oder Streaming – insgesamt von untergeordneter Bedeutung. Aus diesem Grund kann auch das Widerrufsrecht nicht erlöschen.

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